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Neue Norm DIN EN ISO 20607: Eine Anleitung zur Anleitung?

Maschinenhersteller aufgepasst: Seit 2. April 2020 ist eine neue Norm für die Maschinenrichtlinie harmonisiert.
Die DIN EN ISO 20607 trägt den Titel „Sicherheit von Maschinen - Betriebsanleitung - Allgemeine Gestaltungsgrundsätze“. Was genau sie regelt, an wen sich die Norm richtet und ob sie neues beinhaltet, das haben wir uns etwas genauer angeschaut.

Beim Erstellen von Betriebsanleitungen arbeiten wir in der Technikredaktion mit vielen unterschiedlichen Normen und Vorschriften. Grundlegend für uns sind die Anforderungen, die in der IEC 82079-1 formuliert sind. Sie regelt als Horizontalnorm sämtliche Benutzerinformationen, also alle Informationen, die den Gebrauch eines Produktes betreffen. Um den Umgang mit Maschinen so sicher wie möglich zu formulieren, ist für unsere Arbeit außerdem die DIN EN ISO 12100 und dort v.a. der Abschnitt 6.4. der sich mit den „Anforderungen an Betriebsanleitungen für Maschinen“ beschäftigt, relevant. Künftig gilt es zusätzlich die Regelungen der DIN EN ISO 20607 zu beachten.

Im Fokus: Sicherheit im Umgang mit Maschinen

Erarbeitet wurde die DIN EN ISO 20607 von Autoren, die sich auf die Sicherheitsaspekte von Maschinen fokussieren. Sie entstand durch Kooperation des Technischen Komitees ISO/TC 199 "Safety of machinery" mit dem Technischen Komitee CEN/TC 114 "Sicherheit von Maschinen und Geräten". Das Vorwort zur nationalen Ausgabe der DIN EN ISO 20607 unterstreicht diesen Sicherheitsaspekt indem es den Zweck der Norm folgendermaßen formuliert: Die Norm „konkretisiert einschlägige Anforderungen von Anhang I der EU-Maschinenrichtlinie 2006/42/EG an erstmals im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) in Verkehr gebrachte Maschinen, um den Nachweis der Übereinstimmung mit diesen Anforderungen zu erleichtern.“ Was bedeutet das genau? Der Anhang I der Maschinenrichtlinie trägt den Titel „Grundlegende Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen für Konstruktion und Bau von Maschinen“. Hier sind Gefährdungsermittlung beim Umgang mit Maschinen und Risikobeurteilung wichtige Stichpunkte. Die Hersteller werden verpflichtet, eine Risikobeurteilung ihrer Maschinen vorzunehmen, und den Bau der Maschine den Ergebnissen dieser Risikobeurteilung anzupassen.  Die neue Norm fokussiert also auf die Sicherheit im Umgang mit Maschinen.

Maschinenrichtlinie und Maschinenverordnung

Die Maschinenrichtlinie

Die europäische Richtlinie 2006/42/EG, die sogenannte „Maschinenrichtlinie“, regelt das Inverkehrbringen von neuen Maschinen in den europäischen Markt.

Die Maschinenverordnung

Die Maschinenverordnung (9. ProdSV - im Langtitel Neunte Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz) setzt in Deutschland die „Maschinenrichtlinie“ in nationales Recht um. Voraussetzung für das Inverkehrbringen einer Maschine ist, dass der Hersteller die Maschine mit der CE-Kennzeichnung versieht und eine Konformitätserklärung ausstellt.

Relevant für alle an der Markteinführung von Maschinen beteiligten Personen

Damit richtet sie sich vorrangig an die bei der Markteinführung von Maschinen beteiligten Personenkreise. Das sind zum einen die Maschinenhersteller, die dafür sorgen sollen, dass ihre Maschinen Sicherheitsstandards erfüllen. Zum anderen soll die Norm den Organisationen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, die prüfen müssen, ob die Nutzerinformation – also die Anleitung – den gesetzlichen Anforderungen entspricht, den Nachweis der Übereinstimmung mit diesen Anforderungen erleichtern. Und selbstverständlich ist sie auch für uns Technische Redakteure, als Verfasser der jeweiligen Technischen Dokumentation der einzuführenden Maschine, relevant. Denn erst durch die richtige Anleitung zur Inbetriebnahme, zur Bedienung, zur Wartung und Instandhaltung werden Maschinen sicher und der Umgang mit ihnen so gefährdungsarm wie möglich.

Und was ist neu?

Wirklich Neues für unsere Arbeit liefert diese Norm nicht. Wer die Erstellung von Technischer Dokumentation ganzheitlich betrachtet, sollte sich nicht nur auf einen Aspekt, etwa die Sicherheit von Maschinen, fokussieren. Dafür muss v.a. strukturell gedacht und prozessorientiert gehandelt werden. Und das befördert die neue Norm nicht, im Gegenteil. Obwohl sie die Sicherheit im Umgang mit Maschinen in den Fokus stellt, sorgt sie unserer Meinung nicht für einen sichereren Umgang. Sie suggeriert: Wer Punkt für Punkt die Kapitel der Norm abarbeitet, der erstellt eine sichere Anleitung. Das erachten wir jedoch als sehr gefährlich. Denn dem Anspruch eine „Anleitung zur Anleitung“ zu sein, wird sie nicht gerecht. Es fehlen die Beschreibung und Vorgaben für die Prozesse, die ablaufen müssen bis eine normenkonforme und rechtssichere Anleitung entsteht. Ganz anders findet man diese wichtigen Elemente in der DIN EN ISO 82079-1 beschrieben - auf die die neue Norm 20607 übrigens immer wieder verweist. In dieser für die Technische Kommunikation wesentlichen Norm geht es um Prozesse, Struktur und Inhalt von Nutzerinformationen. Und sie stellt in Kapitel 10 auch grundlegende Anforderungen an die berufliche Kompetenz von Technischen Redakteuren. Sie setzt Kenntnisse der Technischen Kommunikation voraus und betont, dass es Fachleute braucht, um Informationsmanagementprozesse umfassend abbilden zu können. Und dadurch den Umgang mit Maschinen sicher zu machen.

Unsere Empfehlung: Die Norm DIN EN ISO 20607 ist für die Maschinenrichtlinie harmonisiert und deswegen für Maschinenhersteller relevant. Da sie nur einen Ausschnitt aus dem Redaktionsprozess betrachtet, sollte sie immer zusammen mit der DIN EN ISO 82079-1 angewendet werden.

Lesen Sie zu diesem Thema auch unseren Magazin-Beitrag "Normen näher betrachtet: IEC 82079-1 und DIN EN ISO 20607".

An wen richtet sich die DIN EN ISO 20607
Was ist neu für die Technische Dokumentation durch die DIN EN ISO 20607

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