Magazin

Studieren in Zeiten von Corona - unsere Praktikantin berichtet

Ein Bericht über die Auswirkungen der Pandemie auf das Leben von Studierenden

Studenten
Studentinnen

Seit gut einem Jahr ist die Situation die gleiche: die Pandemie stoppt das normale Leben und wir suchen einen Weg zurück in den Alltag. Nicht nur für Arbeitnehmer, Eltern und Kinder ist die Situation eine Herausforderung, auch Studierende leiden unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Zwar mögen viele vermuten, dass sich die Studentinnen und Studenten darüber freuen, zu Hause bleiben und länger schlafen zu können, aber hinter diesen vermeintlichen Vorzügen der Online-Lehre steckt weitaus mehr. Mein Name ist Virginia und ich bin Masterstudentin im Studiengang „Informationsdesign und Medienmanagement“ an der Hochschule Merseburg. Derzeit absolviere ich mein sogenanntes „Home-Office-Praktikum“, eine Erfindung, die ohne Corona vermutlich gar nicht existieren würde. Während ich im vergangenen Jahr den Weg von meiner ersten eigenen Wohnung wieder zurück ins Kinderzimmer bei meinen Eltern einschlagen musste, hat sich viel in der Welt verändert. In diesem Artikel möchte ich die Perspektive derjenigen schildern, die während der Pandemie am stillsten sind: die Studierenden. 

Corona hat in ganz Deutschland den digitalen Wandel beschleunigt. Home-Office, Online-Meetings und sogar digitale Feiern waren Anfang 2020 noch eine Rarität. Ein Jahr später sind diese für Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Schüler fast nicht mehr wegzudenken. Auch für meine Studienkollegen und mich war dieser digitale Umschwung spürbar. Statt Vorlesungen mit Kommilitonen in der Uni, gab es Online-Vorlesungen allein zu Hause. Konnte man noch in der letzten Reihe im Hörsaal müde den Kopf auf den Tisch sinken lassen, so ermöglichte es das Online-Format während der Vorlesung im Bett liegen zu bleiben.

Was ist das eigentlich: das Studentenleben?

Menschen begegnen, in der Pause den nächsten Kaffee für die Vorlesung holen, in der Bibliothek lernen und am Wochenende die Sorgen der Woche wegtanzen - all das, was das Studentenleben ausmacht, ist in Zeiten der Pandemie unmöglich geworden. Wer wie ich das große Glück hatte, das Studium noch aufnehmen zu können, bevor Corona die Welt zum Stillstand brachte, hat seine Professoren wenigstens einmal vor sich stehen sehen, aus Fremden Freunde machen und vielleicht das ein oder andere Bier in einer gemütlichen Runde trinken können.  Aber besonders diejenigen, die im Sommer vergangenen Jahres ihr Studium aufgenommen haben, kennen die Situation nicht anders. Viele von ihnen haben ihre eigene Hochschule noch nie von innen gesehen. Sie haben sich nie über das Essen in der Mensa beschweren oder die Kommilitonen in den anderen Sitzreihen mustern können. Das Kennenlernen untereinander sieht mittlerweile so aus: sich zu trauen ein sympathisches Gesicht aus einer Online-Konferenz anzuschreiben und zu hoffen, dass daraus eine Lerngruppe oder gar Freundschaft entstehen könnte.

Studentenleben während Corona sieht anders aus

Tagein, tagaus sitzen wir vor unseren Bildschirmen und versuchen aus der Situation das Beste zu machen. Vielen machen das Alleinsein, die Kontaktbeschränkungen und das kontinuierliche Starren auf Handy und Computer zu schaffen. Aber nicht nur die Gemütslage, sondern auch die Finanzlage wird erschwert, denn bei vielen sind die Jobs weggebrochen. Durch Lockdowns und den damit verbundenen Schließungen von Einzelhandel, Cafés und Restaurants sind viele typische Studentenjobs hinfällig und Studierende arbeitslos geworden. Die Folgen davon sind teilweise groß. Nur durch Finanzhilfen des Bundes, neuer Jobsuche oder einen Umzug zurück ins Kinderzimmer können sich viele Studierende über Wasser halten. Der einzige Hoffnungsschimmer für viele sind Lockerungen und ein mühsam erkämpfter Weg zurück in die Freiheit und in das alltägliche Leben, wie man es kennt und vermisst.

Digitale Lehre an Hochschulen in Präsenz

Auch Professoren und Lehrbeauftragte wurden im vergangenen Jahr vor eine besondere Herausforderung gestellt: Studieren möglich zu machen und das ohne Kontakt. Digitale Lehre ist zwar nichts Neues, seit Jahrzehnten arbeiten Fernuniversitäten ausschließlich digital. Für Universitäten und Hochschulen, deren Lehrbetrieb aus Präsenzveranstaltungen besteht, ist der Umschwung ins Digitale aber ein schwieriger gewesen.

2020 wurden die Türen der Hochschulen geschlossen, Internetbrowser hingegen geöffnet. Mahnende Blicke der Professoren an die Zuspätkommer wurden durch stille Anmeldungen in der digitalen Plattform ersetzt. Von der optimalen Programmfindung für die Vorlesungen bis hin zum Einpendeln der Präsentationsweise gab es viele Komplikationen. Neben einem verspäteten Start in die Vorlesungszeit und den sogenannten „Corona-Semestern“, die die Regelstudienzeit verlängern, war das Jahr 2020 alles andere als normal.

Worauf es im letzten Jahr ankam war Flexibilität. Besonders in meinem Studiengang hat es eine Weile gedauert, bis jeder Professor und Lehrbeauftragte das ideale Programm für sich und seine Inhalte gefunden hatte. Über asynchron aufgezeichnete Vorlesungen auf YouTube, Live-Vorlesungen über Skype und BigBlueButton, Blockveranstaltungen über Zoom und Gruppenarbeiten in MS Teams war alles dabei. Man kann sagen, wir Studierenden sind zu Experten der Videokonferenzsysteme geworden.

Fast schon Alltag: studieren während "Corona"

Nachdem die Programme, Tools und Portale letztendlich ihren Platz in unserer Mitte gefunden hatten, konnte das erste Corona-Semester im Sommer 2020 verzögert starten. Vorgetragen wurde digital, gelernt auch. Vorlesungen, Gruppenarbeiten und Prüfungen - all das lief ohne persönliche Kontakte ab. Ähnlich dann das Wintersemester. Zwar wurde nach der ersten Welle im Sommer, bei einer sinkenden Inzidenz, immer wieder von Öffnung gesprochen, wieder steigende Infektionszahlen machten diese Idee schnell zunichte. Dennoch wurde die Hoffnung nicht ganz aufgegeben. Zugegeben, im Winter wurde weitgehend auf Präsenzveranstaltungen verzichtet, aber Ausnahmen gab es. Sofern die Anwesenheit in der Hochschule möglich war, lautete die Devise: Desinfizieren, Mundschutz, Lüften und Abstand.  Und so gestaltete sich das Semester dann als eine Mischung aus digitaler Lehre und Präsenzvorlesungen – so lange, bis Hochschule und Regierung dem Ganzen den Riegel vorschoben. Der Dezember wurde dadurch nicht nur zum Monat der eingeschränkten Vorfreude auf Weihnachten, sondern auch zum Monat, in dem sich die Türen der Hochschulen wieder schlossen.

Zur Prüfungsphase im Februar gab es einen winzigen Hoffnungsschimmer, die Hochschule doch noch einmal von innen zu sehen. Für mich war das zumindest etwas Besonderes. Ich betrat nach gut einem Jahr der Online-Lehre zum ersten Mal für Klausuren wieder die Hochschule. Eine Situation, die uns allen in den Prüfungen im wahrsten Sinne des Wortes Gänsehaut bereitete, denn eine Prüfung mit Schal und Jacke hatte ich bis dahin noch nicht geschrieben - wegen der Raumtemperatur aufgrund regelmäßigen Lüftens jedoch ein Muss.

"Positive und negative Auswirkungen für die Lehre" Professor Michael Meng, Dekan der Hochschule Merseburg im Interview

Prof. Dr. Michael Meng, Professor und Dekan an der Hochschule Merseburg, erkennt in dieser außergewöhnlichen Situation sowohl positive als auch negative Auswirkungen für die Lehre. In einem Interview mit mir betonte er, dass er zwei Phasen erkenne. Das Sommersemester 2020 gilt für ihn als eine Phase der Überraschung und Entdeckung von Möglichkeiten. Hier lag der Fokus besonders darauf, das Lehren überhaupt erst möglich zu machen und die Inhalte den Studierenden trotz aller Umstände planmäßig zu vermitteln. E-Learning war für viele der Lehrenden ein bisher unbekanntes Terrain. Dass nun dynamische Anpassungen und viel Mut gefordert waren, machte dieses Semester zu etwas ganz Besonderem.

Das Wintersemester 2020/21 hingegen, welches Meng als zweite Phase betitelt, hatte viel mehr auf die Defizite und Verluste digitaler Lehre hingewiesen. Zwar waren Lehrende, Studierende und das E-Learning mittlerweile ein fast schon eingespieltes Team, der persönliche Kontakt und die direkte Interaktion zwischen Studierenden und Lehrkörpern fehlt dennoch. Besonders bei Projektarbeiten in Seminaren gestaltet sich die Betreuung als schwierig. Immerhin konnten über Konsultationen und E-Mails Fragen beantwortet und Gespräche geführt werden, aber die Situation war dennoch eine andere.

„Studieren bedeutet mehr als nur Stoff zu vermitteln und eine Vorlesung zu besuchen“, betont Professor Meng und weist dabei auf den Verlust zwischenmenschlicher Kontakte auf dem Campus und zwischen Lehr- und Studienkörper hin.

Und was kommt dann? Zurück auf Anfang?

Ob sich das Studium nach Corona wieder in den wohlbekannten und heißgeliebten Ausgangszustand zurückversetzt, bezweifelt Meng. Er ist der Ansicht, dass der Ausgangszustand nicht wieder erreicht wird. Die Erfahrungen, die in den vergangenen beiden Semestern gesammelt wurden, haben gezeigt, was mit digitalen Hilfsmitteln alles möglich ist. Zwar wird davon ausgegangen, dass Hochschulen eines Tages den Präsenzbetrieb wieder aufnehmen, dies könnte jedoch in anderer Art und Weise als bisher bekannt geschehen. Sprechstunden, Gastvorträge oder asynchrone Vorlesungen, die Möglichkeiten scheinen groß zu sein und jetzt, wo wir alle das Potential digitaler Medien erkannt haben, können wir einen Weg finden, der ein gesundes Mittelmaß aus Kontakt und Digital bietet. Wie das aussieht, wird sich wohl erst noch im Laufe kommender Semester zeigen. Für die Hochschule Merseburg bedeutet dies zunächst ein digitaler Start.

Laut  Infografik Statista gab es im Corona-Jahr 2020 weniger Studienanfänger als im Jahr zuvor. Gut 20.000 Erstsemester weniger als noch im Jahr zuvor haben sich an einer Hochschule oder Universität eingeschrieben. Zahlen des Statistisches Bundesamt bestätigen dies, um 4% sind die Neuimmatrikulationen gegenüber dem Vorjahr zurück gegangen. Grund dafür sind neben dem Fernbleiben ausländischer Studierender aufgrund von Corona, auch die Wiedereinführung von G9 in Niedersachsen.

Für Studienanfänger bedeutet Corona vor allem eines: verlorene Erfahrung in einer wichtigen Phase des Erwachsenseins. Für viele ist das Studium die schönste Zeit im Leben. Sich noch nicht ganz erwachsen fühlen, aber trotzdem alles machen zu können, was einem möglich ist. Für mich bedeutet Corona das Ende meiner Studienzeit, ohne diese nochmal richtig genießen zu können, bevor es in den ersten Job geht. Aber vielleicht hat der Jahrgang nach mir ja schon wieder etwas mehr Normalität. Bleibt zu hoffen, dass nicht nur Studierende, sondern auch die ganze Welt bald den Weg zurück in den Alltag finden.

 

Lesen Sie hier weitere Beiträge aus der Kategorie "Technische Dokumentation":

Technische Dokumentation

Zurück